Gesundheitswesen und Mitarbeiterengagement

Daniel Hannig
Verfasst von
Daniel Hannig

Viele Mitarbeiter im Gesundheitswesen haben sich ihren Beruf ausgewählt, weil sie Menschen helfen wollen. Diese inhärente Motivation legt die Vermutung nahe, dass Mitarbeiterengagement ein fester Bestandteil des Gesundheitswesens sei. Tatsächlich gibt es aber viele Faktoren, die das Beibehalten eines hohen Levels an Engagement im Gesundheitswesen erschweren, nicht zuletzt die langen Schichten und die anstrengende Arbeitsumgebung. Wie man trotzdem ein hohes Engagement zutage fördert, zeigen wir anhand des Beispiels eines äußerst erfolgreichen niederländischen Unternehmens.

„Wenn Mitarbeiter nicht engagiert sind, sehen sie sich nach Alternativen um. Kunden haben auch Alternativen“ – Anthony Armada, COO, Verity Health Systems

Wie bereits erwähnt, ist das Gesundheitswesen oft von Zeitmangel und Stress geprägt. Fügt man nun noch Budgeteinschränkungen und die Erwartung hinzu, eine permanent hohe Patientenzufriedenheit zu erreichen, führt dies schnell zu Motivationsverlust bis hin zum tatsächlichen Burnout. Um das zu verhindern, wenden viele Krankenhäuser und Unternehmen im Gesundheitswesen Methoden zur Steigerung des Mitarbeiterengagements an. In erfolgreichen Fällen ist nicht nur einen deutlicher Anstieg in der Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter zu erkennen, die positive Entwicklung spiegelt sich auch direkt in der Zufriedenheit der Patienten wider. Ein Unternehmen in den Niederlanden hat es mit einem neuen Ansatz geschafft, das Engagement im Pflegedienst erheblich zu steigern. Was das Modell so besonders macht und warum Mitarbeiterengagement vor allem im Pflegedienst wichtig ist, thematisieren wir heute.

Gesundheitswesen und Mitarbeiterengagement ‒ Ein Paradebeispiel

Die Geschichte des Unternehmens Buurtzorg und dessen Gründer Jos de Blok kann nur als Erfolg beschrieben werden. Es fing alles damit an, dass Herr de Blok, selbst ausgebildete Pflegekraft, höchst unzufrieden in seinem Beruf war. Das lag vor allem daran, dass die Arbeitsweise des Gesundheitswesens in den Niederlanden einer Maschinerie glich, die sich hauptsächlich auf hohe Effizienz anstatt auf Empathie und das tatsächliche Wohlbefinden der Menschen konzentrierte. Das führte dazu, dass die zunächst motivierten Pflegekräfte sich nun vermehrt als bloßes Instrument dieser Maschinerie sahen und dementsprechend die Motivation an ihrem Job verloren. So auch Jos de Blok, bis er seinen Job kündigte und Buurtzorg ins Leben rief. Das geschah alles im Jahre 2006.

Heute ist Buurtzorg (auf Deutsch „Nachbarschaftshilfe“) von einem einzigen Team, bestehend aus acht Menschen, zu insgesamt 850 Teams gewachsen und ist in insgesamt 24 Ländern tätig. Patienten und Pflegekräfte sind von Buurtzorgs Philosophie dermaßen begeistert, dass die Beschäftigten des Gesundheitswesens in den letzten zehn Jahren die traditionellen Pflegeunternehmen in Scharen verlassen haben. Buurtzorg erhält monatlich etliche E-Mails von Mitarbeitern dieser traditionellen Unternehmen, die Teil des neuen Modells sein wollen. Die Frage, die man sich nun stellt, ist natürlich: Wie haben sie das geschafft? Was genau macht Buurtzorg so erfolgreich?

Pflege wieder menschlich machen

Buurtzorg arbeitet nach einem Prinzip, das Menschlichkeit vor Bürokratie stellt. Das Geschäftsmodell, auf das die ganze Idee gestützt ist, sieht in etwa so aus: Anstatt hohe Effizienz durch Kontrolle und standardisierte Prozesse herbeizuführen, hat Buurtzorg bürokratische Strukturen und Hierarchien auf das absolute Minimum reduziert. Wie sieht das in der Praxis aus? Buurtzorg besteht aus eigenständigen Teams, deren Ziel es ist, die Eigenständigkeit ihrer Patienten bestmöglich zu fördern. Allgemein heißt das, dass die Teams alle relevanten Prozesse selber verwalten und nicht jede Kleinigkeit mit den „oberen Etagen“ abklären müssen. Das bedeutet im gleichen Zuge mehr Freiraum um den Fokus des Geschäftsmodells auf die Patienten zu richten und somit die gesamte Tätigkeit wieder menschlicher zu machen. Dieses menschliche Element besteht zum größten Teil aus gemeinsamer Kommunikation, der Schwerpunkt liegt dabei beim Zuhören der Patienten. Das Erste was Buurtzorg-Mitarbeiter mit neuen Patienten machen, ist sich hinsetzen und Kaffee trinken. So wird zunächst ein persönliches Verhältnis aufgebaut, das den Mitarbeitern ermöglicht, zu erkennen, was den Patienten wirklich fehlt. So wird auch vermieden, dass die Patienten nur medizinisch versorgt werden und die Pflegeperson sich dann wieder verabschiedet, ohne tatsächliche Fürsorge geleistet zu haben. In gewisser Weise ermöglicht Buurtzorg es den Pflegekräften, genau das zu tun, weshalb sie sich ursprünglich für diesen Beruf entschieden haben: den Menschen zu helfen.

Autonome Teams

Mitarbeiter bei Buurtzorg sind weitestgehend autonom. Die Teams haben volle Freiheit und Verantwortung in fast allen Bereichen ihrer Tätigkeit. Ein Team von 12 Personen teilt sich eine Nachbarschaft, kümmert sich um hilfsbedürftige Menschen und entscheidet selbst, wie die Arbeit organisiert, die Verantwortung geteilt und Entscheidungen getroffen werden. Das Team findet ein eigenes Büro in der Nachbarschaft, und stellt sich selbst der lokalen Gemeinschaft und Fachleuten vor.

Autonome Patienten

Wie bereits erwähnt, geht es nicht nur um die Befähigung der Mitarbeiter, sondern auch um die Befähigung der Kunden. Die Idee ist es, den Patienten so viel Autonomie wie möglich zu geben. Das wird gewährleistet, indem ein Netzwerk aus Familie und hilfsbereiten Nachbarn geschaffen wird, das sich um die Patienten kümmern, sollten diese Probleme haben. Dieses informelle Netzwerk wird zusätlich durch ein professionelles Netzwerk bestehend aus Pflegekräften und Ärzten vervollständigt.

Buurtzorgs Auswirkungen auf das niederländische Gesundheitswesen

Dieses Geschäftsmodell verleiht den Pflegekräften ein sehr hohes Maß an Autonomie, verlangt ihnen aber auch viel ab. Pflegekräfte bei Buurtzorg kümmern sich nicht nur um die körperlichen Bedürfnisse der Kunden, sondern auch um soziale Bedürfnisse. Darunter fallen auch Wünsche, wie einfach mal reden zu wollen oder den Kontakt zur Familie wieder aufzubauen. Dieser zusätzliche Aufwand führt zu erhöhten Kosten pro Stunde, führt jedoch durch die erzeugte Autonomie der Patienten, zu weniger Zeitaufwand insgesamt. Im Endeffekt hat das Buurtzorg-Modell die benötigten Pflegestunden um 50% reduziert und dem niederländischen Sozialversicherungssystem somit sehr viel Geld erspart (Ernst & Young dokumentierte vor einigen Jahren Einsparungen von rund 40% für das niederländische Gesundheitssystem). Darüber hinaus ist die Kundenzufriedenheit bei Buurtzorg höher als bei allen anderen Gesundheitsorganisationen. Engagement und Zufriedenheit der Mitarbeiter spiegeln sich in Buurtzorgs Titel “Bester Arbeitgeber” wider, den sie viermal in den letzten fünf Jahren verliehen bekommen haben.

Mitarbeiterengagement im Gesundheitswesen ‒ ein Ausblick

Der Erfolg und die Popularität von Buurtzorg zeigt deutlich, dass das alte Gesundheitssystem, von Hierarchien und Bürokratie geprägt, überfällig ist und Veränderung braucht. Viele Länder haben inzwischen entweder direkten Kontakt zu Buurtzorg aufgenommen oder ein System eingeführt, das dem von Buurtzorg sehr ähnlich ist. Im Hinblick auf die konstant steigende Lebenserwartung, ist ein Wechsel von einem System mit bürokratischen Ansatz zu einem System, das die Menschlichkeit im Mittelpunkt hat, definitiv eine Entwicklung, die wir annehmen und unterstützen sollten.

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Daniel Hannig
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Daniel Hannig
Daniel ist Content Marketing Specialist bei Honestly. Mit über fünf Jahren Erfahrung in diversen Startups und Scaleups, die Teamwork und Respekt immer an erster Stelle führten, basiert Daniels Expertise im Bereich Mitarbeiterengagement stets auf seinen eigenen Erfahrungen. Zum Thema Mitarbeiterengagement schreibt Daniel Artikel, hält Podcasts, führt themenbezogene Webinare und tut dies mit stets wachsender Begeisterung.

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